Ein Plädoyer für den Maulkorb

Ein Plädoyer für den Maulkorb

Maulkorb = böser Hund und unfähiger Mensch?

Heute möchte ich eine Lanze für den Maulkorb brechen.
In meiner bisher 10 jährigen Tätigkeit als Hundetrainerin ist es nicht allzu selten vorgekommen, dass ein Hund aus unterschiedlichen Gründen vorübergehend einen Maulkorb tragen musste/sollte.

Während es in einigen Bundesländern die sogenannte Maulkorbpflicht gibt, gilt diese Pflicht in Niedersachsen nur für Hunde, die als gefährlich eingestuft wurden und von „Amts wegen“ einen Maulkorb tragen müssen.
Nun fällt mir seit Jahren immer wieder auf, wie ablehnend Hundehalter darauf reagieren, wenn ich ihnen rate, ihrem Hund einen Maulkorb aufzusetzen.

Und diesen Rat gab es aus ganz verschiedenen Gründen: 
• Da gab es den, der alles in sich hineinschlang, was er an Fressbarem oder auch Unfressbarem auf dem Weg fand. Eine Darmoperation hatte ihm das bereits eingebracht. Wir mussten den Hund vor solchen Dingen schützen.
• Da war der, der sich nicht gern anfassen ließ und sich bei bestimmten Berührungen völlig hysterisch seine eigene Flanke oder die Rute blutig biss. Wir haben ihn mit einem Maulkorb vor sich selbst geschützt.
• Und da waren die, die einen Faible für ihren eigenen Kot hatten. Jedes Häufchen verleibten sie sich direkt wieder ein. Nach dem Motto hinten raus, vorne rein. Mit Maulkorb war das nun nicht mehr möglich.
• Oder die Hunde, die allergische Hautreaktionen haben und sich die Pfoten oder Flanken blutig lecken, weil sie mit ihren Krallen nicht zum kratzen an diese Stellen kommen. 
• Natürlich waren da auch die vielen Hunde, die tatsächlich schon mal Löcher in andere Hunde oder auch Menschen machten. Der Maulkorb ist eine gute Gelegenheit, ohne Angst vor Verletzungen mit ihnen zu trainieren.

Der Maulkorb ist also ein Hilfsmittel wie jede Leine, jedes Halsband auch. Nicht schlimm, sondern dazu geeignet, Hund und Halter Sicherheit zu vermitteln und Situationen im Griff zu haben. Ein Hilfsmittel sollte aber immer wieder abtrainiert werden. Der Hund sollte also schon die Möglichkeit haben, durch gezieltes Training oder eine ärztliche Behandlung, seinen Maulkorb irgendwann wieder los zu werden. Und selbst wenn das, in Einzelfällen, nicht möglich ist, ist das Tragen eines Maulkorbes keine Schande.

Was jedoch macht so ein Maulkorb mit der Psyche eines Menschen?

Es ist unangenehm zuzugeben, dass man den eigenen Hund (noch) nicht im Griff hat. Es ist peinlich. Andere Menschen machen einen Bogen um einen Hund mit Maulkorb. Signalisiert der Maulkorb doch, dass der Mensch einen bösen Hund hat.

Mit anderen Worten: es stellt sich die Angst ein, abgewertet zu werden, nicht anerkannt, nicht akzeptiert. ausgestoßen zu werden. Es könnte Gerede geben („das ist die, die ihren Hund nicht im Griff hat“). Wozu neigt dann der gepeinigte Mensch? Er kauft einen Maulkorb, oder eine Maulschlinge, der/die kaum auffällt (Finger weg von den Maulschlingen. Sind sie eng, kann der Hund nicht hecheln, sind sie zu locker, kann er zwar hecheln, aber auch beißen oder etwas vom Boden aufnehmen). Damit könnte man ja das eigentliche Problem einigermaßen vertuschen. Ich sage euch, kauft einen auffälligen Maulkorb, damit ihn jeder sehen kann. Und schämt euch nicht dafür. Es gibt sie mittlerweile in tollen Signalfarben. Richtig schick und auffällig.

Das Gerede findet auch tatsächlich statt. Lauft mal mit einem Maulkorb tragenden Hund durch ein Freilaufgebiet oder dort, wo viele Hunde ihre Runden drehen. Ihr glaubt ja gar nicht, wie schnell andere Hundehalter ihre Hunde abrufen können, oder einen Bogen um euch machen. Ist der Hund also geschützt und kann nicht mehr beißen, werden plötzlich alle Menschen misstrauisch und meiden diesen Hund. Dabei würden sie ihre eigenen Hunde aber voll in unbekannte Hunde preschen lassen, die keinen Maulkorb tragen. Denn ohne Maulkorb muss er ja lieb sein. Ohne Maulkorb hat er sich das gefälligst gefallen zu lassen, dass er von anderen Hunden angerempelt oder umgerempelt wird. Auch wenn er gar keinen Kontakt haben möchte. Aber wenn er gesichert ist, dann holt jeder seinen Hund mal ganz schnell zu sich, damit er mit dem „Bösen“ nicht in Kontakt kommt.

Was mich nun ketzerisch denken lässt: Wenn ich also meine Ruhe haben möchte, dann setze ich meinem Hund einfach einen Maulkorb auf und alles ist gut. Ich kann unbehelligt durch die Gegend laufen. Stimmt ihr mir zu, dass da irgendetwas nicht richtig ist?

Wie wir gesehen haben, gibt es aber viele Gründe, die für einen Maulkorb sprechen. Nicht nur aggressives Verhalten, sondern auch andere, o. g. Situationen können das Tragen eines Maulkorbes durchaus sinnvoll machen.

Je nach Landeshundegesetz oder städtischen Verordnungen ist es andernorts völlig normal, einem Hund mit Maulkorb zu begegnen. Kollegen von mir trainieren bereits im Welpenalter Maulkörbe ein, damit diese für den Hund so normal ist, wie das Tragen eines Halsbandes oder eines Geschirrs. Tolle Kollegen! Ich danke ihnen dafür. 

In Zügen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln herrscht sowieso eine generelle Maulkorbpflicht, wenn ich den Hund nicht in einer sicheren Box unterbringen kann.

Ich halte das Eintrainieren eines Maulkorbes für absolut sinnvoll. Ein gut sitzender Maulkorb schränkt den Hund nicht ein. Er kann hecheln und somit seine Körpertemperatur regulieren, er kann trinken und ein Leckerchen passt auch durch die Streben. Wo ist nun das Problem? Mit einem Geschirr ist der Hund auch ziemlich angezogen, vor einem Halti schreckt auch kaum ein Hundehalter großartig zurück, aber ein Maulkorb? Oh nein, wie schrecklich.

Dabei sollten wir mehr Respekt vor den Menschen haben, die die volle Verantwortung für ihren Hund übernehmen. Ein Maulkorb schützt andere Hunde, andere Menschen, mitunter auch den eigenen Hund. Ein Maulkorb bedeutet, verantwortlich im Sinne aller zu handeln.

Also: keine Angst vor einem Maulkorb! Sondern etwas mehr Akzeptanz und Toleranz für all die tollen Menschen, die ihrem Hund einen aufsetzen.
Amen
Foto: Tim Terzyk, Hundeschule Terzyk

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